Einspruchsverfahren

Das steuerrechtliche Einspruchsverfahren ist ein außergerichtlicher Rechtsbehelf. Der Einspruch kann nur gegen Verwaltungsakte eingelegt werden. Dazu zählen u.a.:

  • Steuerbescheide (z.B. nach eingereichter Steuererklärung und Veranlagung),
  • Änderungsbescheide (z.B. nach durchgeführter Betriebsprüfung
    oder nach Abschluss eines steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahrens),
  • Berichtigungsbescheide,
  • Korrekturbescheide,
  • Aufhebungsbescheide,
  • Nachforderungsbescheide,
  • Festsetzungsbescheide,
  • Schätzungsbescheide,
  • Feststellungsbescheide,
  • Besonderheiten bei Grundlagenbescheiden und Folgebescheiden,
  • Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen,
  • Haftungsbescheide (z.B. gegen gesetzliche Vertreter, Geschäftsführer, Vorstandsmitglieder als Haftungsschuldner für die Nichtabführung von Steuern der Gesellschaft als primäres Steuersubjekt
    – gesetzliche Grundlage: §§ 69 ff. Abgabenordnung)
  • Abrechnungsbescheide,
  • Bescheide über die Anordnung einer steuerlichen Außenprüfung,
  • Bescheide über die Ablehnung eines begehrten Steuerbescheids,
  • Bescheide über die Aufforderung zur Vorlage eines Vermögensverzeichnisses,
  • Bescheide zur Abgabe einer eidesstattlichen Versicherung,
  • Steuerbescheide zur Umsetzung einer tatsächlichen Verständigung mit der Steuerbehörde
    etc.,

Der Einspruch ist nach § 355 Abs. 1 Satz 1 Abgabenordnung (AO) innerhalb einer Einspruchsfrist von einem Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts schriftlich oder zur Niederschrift einzulegen.

nach oben

Die Zulässigkeit und Statthaftigkeit eines Einspruchs ist u.a. in § 347 AO geregelt. Der folgende Gesetzestext wurde am 16.03.1976 ausgefertigt, neugefasst durch Bek. v. 1.10.2002 I 3866; 2003 I 61, und zuletzt geändert durch Art. 3 G v. 21.12.2007 I 3198:

§ 347 Statthaftigkeit des Einspruchs

(1) Gegen Verwaltungsakte

  1. in Abgabenangelegenheiten, auf die dieses Gesetz Anwendung findet,
  2. in Verfahren zur Vollstreckung von Verwaltungsakten in anderen als den in Nummer 1 bezeichneten Angelegenheiten, soweit die Verwaltungsakte durch Bundesfinanzbehörden oder Landesfinanzbehörden nach den Vorschriften dieses Gesetzes zu vollstrecken sind,
  3. in öffentlich-rechtlichen und berufsrechtlichen Angelegenheiten, auf die dieses Gesetz nach § 164a des Steuerberatungsgesetzes Anwendung findet,
  4. in anderen durch die Finanzbehörden verwalteten Angelegenheiten, soweit die Vorschriften über die außergerichtlichen Rechtsbehelfe durch Gesetz für anwendbar erklärt worden sind oder erklärt werden,

ist als Rechtsbehelf der Einspruch statthaft. Der Einspruch ist außerdem statthaft, wenn geltend gemacht wird, dass in den in Satz 1 bezeichneten Angelegenheiten über einen vom Einspruchsführer gestellten Antrag auf Erlass eines Verwaltungsakts ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes binnen angemessener Frist sachlich nicht entschieden worden ist.

(2) Abgabenangelegenheiten sind alle mit der Verwaltung der Abgaben einschließlich der Abgabenvergütungen oder sonst mit der Anwendung der abgabenrechtlichen Vorschriften durch die Finanzbehörden zusammenhängenden Angelegenheiten einschließlich der Maßnahmen der Bundesfinanzbehörden zur Beachtung der Verbote und Beschränkungen für den Warenverkehr über die Grenze; den Abgabenangelegenheiten stehen die Angelegenheiten der Verwaltung der Finanzmonopole gleich.

(3) Die Vorschriften des Siebenten Teils finden auf das Straf- und Bußgeldverfahren keine Anwendung.

nach oben

Über den Einspruch entscheidet nach § 367 Abs. 1 Satz 1 AO die Finanzbehörde (grundsätzlich das Finanzamt als Einspruchsbehörde), die den Verwaltungsakt erlassen hat. Das Einspruchsverfahren wird auch als „verlängertes Festsetzungsverfahren“ bezeichnet, da das Finanzamt den angefochtenen Steuerbescheid erneut vollständig in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht überprüft.

Die Einlegung des Einspruchs und das Einspruchsverfahren entfalten nach § 361 Abs. 1 AO – anders als der Widerspruch und das Widerspruchsverfahren im klassischen Verwaltungsrecht – keine aufschiebende Wirkung. Daher sind festgesetzte Steuerbeträge und Nachzahlungsbeträge sowie Zinsen und Säumniszuschläge grundsätzlich zunächst an das zuständige Finanzamt zu entrichten. Das Finanzamt kann bei Nichtzahlung trotz des eingelegten Einspruchs vollstrecken.

Daher sollte mit dem Einspruch gleichzeitig ein Antrag auf Aussetzung der Vollziehung (AdV-Antrag) gestellt werden. Einem solchen Antrag ist grundsätzlich stattzugeben, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige Härte zur Folge hätte. Ergänzend kann beim Finanzamt auch ein Antrag auf Stundung oder Vollstreckungsaufschub gestellt werden. Fehlende Liquidität oder Liquiditätsengpässe sind von der Behörde im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung zu berücksichtigen.

Wird ein solcher Antrag auf Gewährung der Aussetzung der Vollziehung (AdV) vom Finanzamt abgelehnt, kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung ganz oder teilweise aussetzen. Dazu ist ein entsprechender Antrag nach § 69 Abs. 3 Finanzgerichtsordnung (FGO) an das zuständige Finanzgericht zu richten. Der Antrag kann bereits vor Erhebung der Klage im Hauptsacheverfahren gestellt werden.

nach oben

Im Einspruchsverfahren ist nach § 367 Abs. 2 Satz 2 AO eine „Verböserung“ (reformatio in peius) möglich. Der angegriffene Verwaltungsakt kann zum Nachteil des Einspruchsführers geändert werden, wenn dieser auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung unter Angabe von Gründen hingewiesen und ihm Gelegenheit gegeben worden ist, sich hierzu zu äußern. In einem solchen Fall kann der Einspruch nachträglich beschränkt werden oder gegebenenfalls ganz zurückgenommen werden, um eine nachteilige Entscheidung der Steuerbehörde zu verhindern.

Die Entscheidung über den Einspruch erfolgt in einer Einspruchsentscheidung. Das Einspruchsverfahren ist selbst bei einer für den Steuerpflichtigen negativen Entscheidung kostenfrei. Wird dem Einspruch stattgegeben, ergeht ein Abhilfebescheid.

Die Einspruchsentscheidung ist Gegenstand einer gerichtlichen Überprüfung durch das zuständige Finanzgericht. Die Frist für die gerichtliche Anfechtung der ablehnenden Verwaltungsentscheidung durch Erhebung der Anfechtungsklage beträgt einen Monat. Die Klagefrist beginnt mit der Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf. Das Einspruchsverfahren ist bei der Anfechtung steuerrechtlicher Bescheide ein zwingendes Vorverfahren für ein sich u.U. anschließendes finanzgerichtliches Klageverfahren.

Neben der Anfechtungsklage existieren noch weitere Klagearten wie beispielsweise die Verpflichtungsklage und die Feststellungsklage.

nach oben